HOX Life Science

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„Pharmareferent? – Da fahr ich lieber Taxi!“ Oder ist das doch ein cooler Job?

von Dr. Morna Gruber und Dr. Marta Lee

Viele Absolvent*innen treibt die Angst um, nach dem Uni-Abschluss keinen Job zu bekommen. Sehr oft fallen dann Sätze wie. „Im Notfall muss ich Taxi fahren.“ Nicht selten wird dann noch hinter geschoben: „Aber eins steht fest: Pharmareferent*in werde ich nicht, ich bin doch kein Klinkenputzer.“ Gerne würden wir mit den Vorurteilen gegenüber der Position des*der Pharmareferent*in aufräumen und zeigen, dass diese hochausgebildete Kommunikator*innen für wissenschaftliche, medizinische und pharmazeutische Informationen sind.
Um die verantwortungsvolle Tätigkeit der Pharmareferenten verstehen zu können, benötigen wir Hintergrundwissen über die Pharmabranche und die Gesetze, die diese regulieren. Deshalb betrachten wir zunächst das Umfeld, in dem Pharmareferenten sich bewegen.
Um die verantwortungsvolle Tätigkeit der Pharmareferenten verstehen zu können, benötigen wir Hintergrundwissen über die Pharmabranche und die Gesetze, die diese regulieren. Deshalb betrachten wir zunächst das Umfeld, in dem Pharmareferenten sich bewegen.
Die Pharma- und Biotechbranche sieht sich einem ganz besonderen Spannungsfeld voller teils widersprüchlicher Erwartungen ausgesetzt. Es wird von der Pharmaindustrie erwartet, dass das Wohl und die Gesundheit des Menschen an erster Stelle stehen sollen. Ganz selbstverständlich wird vorausgesetzt, dass Pharmaunternehmen permanent eine volle Pipeline an sich in der Entwicklung befindlichen innovativen Arzneimitteln vorweisen können, die Krankheiten vorbeugen und heilen oder zumindest Symptome lindern sollen. Gleichzeitig sieht die Pharmabranche sich häufig der Kritik ausgesetzt, die Medikamente seien zu teuer und mit dem Verkauf der Medikamente werde Profit aus dem Leid von Menschen geschlagen. Wenn man sich die Debatten genau anschaut, besteht im Prinzip die Erwartung, dass hochinnovative Medikamente sehr kostengünstig von der Pharmaindustrie zur Verfügung gestellt werden müssten. Wie wir in Folge 2 dieser Serie gesehen haben, liegen aber die Kosten für die Entwicklung eines neuen marktreifen Medikaments im Bereich von 1200-1800 Mio USD. Dieses Geld muss auch wieder erwirtschaftet werden. Dies geht nur über den Verkauf der Medikamente am Markt zu einem Preis, der diese Entwicklungskosten wieder einspielen kann. Was viele nicht wissen: Seit 2011 darf die Pharmaindustrie in Deutschland die Preise für ihre Medikamente nicht mehr frei bestimmen. Im Rahmen des sogenannten AMNOG-Verfahrens werden die Preise für neue, patentgeschützte Arzneimittel auf Basis einer Zusatznutzenbewertung verhandelt.
Marketing und Sales in der Pharmaindustrie – reguliert durch Gesetze
Dies bringt uns gleich weiter zu dem Aspekt, dass die Pharmaindustrie eine stark durch Gesetze und Verordnungen regulierte Branche ist. Für den Gesetzgeber stehen die Sicherheit der Patient*innen und die Wirksamkeit der Medikamente an oberster Stelle. Das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (kurz Arzneimittelgesetz - AMG) bildet mit seinen 20 Absätzen und 148 Paragrafen den roten Faden im Netz der Regularien rund um die Entwicklung, Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln.
Arzneimittel
In § 11a des AMG mit dem Titel „Fachinformation“ wird festgelegt, dass die Pharmaunternehmen die Pflicht haben Fachkreise (z.B. Ärzte und Apotheker) mit Informationen über Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, zu versorgen. Des Weiteren wird auch definiert, welche Informationen dies sind. Es handelt sich zum einen um die Fachinformationen, aber zum anderen auch um darüberhinausgehende pharmakologische und pharmazeutische Angaben. Es besteht also eine gesetzliche Informationspflicht, in deren Kontext Pharmaberater*innen eine wichtige Rolle als Kommunikator*innen dieser Fachinformationen einnimmt. Um sicherzustellen, dass die Fachinformationen auch pharmazeutisch-medizinisch-wissenschaftlich korrekt übermittelt werden, beschreibt das AMG in § 75 sogar sehr explizit die Voraussetzungen (die Sachkenntnis), die eine Person besitzen muss, um überhaupt als Pharmareferent*in tätig sein zu dürfen. Dazu zählen Personen, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Pharmazie, Chemie, Biologie, Human- und Veterinärmedizin abgeschlossen haben oder eine abgeschlossene Ausbildung zum*zur technischen Assistent*in in den oben genannten Fächern haben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, über eine Prüfung bei der IHK die vorhandene Sachkenntnis zu belegen und dann auch als Pharmareferent zugelassen zu werden. Des Weiteren ist der*die Pharmareferent*in bei seiner*ihrer Arbeit nicht nur verpflichtet die Fachinformationen korrekt zu vermitteln, sondern er*sie muss sich darüber hinaus an die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes und - falls sein Unternehmen dort Mitglied ist - an die Leitlinien der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) e. V. halten. Durch das Heilmittelwerbegesetz und die Leitlinien der FSA wird sichergestellt, dass die Bewerbung von Arzneimitteln fachlich und ethisch korrekt umgesetzt wird, um das Wohl und die Sicherheit der Patient*innen sicherzustellen.
Die Position des Pharmareferenten - vorurteilsfrei betrachtet
Durch die Betrachtung der Hintergründe, Gesetze und Regularien, die das Tätigkeitsfeld des Pharmareferenten definieren, wird deutlich, dass Pharmareferent*innen hochausgebildete Kommunikator*innen für wissenschaftliche, medizinische und pharmazeutische Informationen sind. Ein Pharmareferent ist kein Verkäufer im klassischen Sinne, da in der Beziehung mit dem Arzt oder der Ärztin gar kein Verkaufsakt stattfindet. Der Arzt kauft das Medikament nicht vom Pharmareferenten oder vom Pharmaunternehmen, sondern er verschreibt es dem Patienten, weil er das Medikament als die geeignete therapeutische Maßnahme betrachtet. Die Krankenkasse übernimmt dann die Kostenbegleichung. Selbstverständlich geht es darum, die Ärzte und Ärztinnen von den Vorteilen des Medikaments, für das man zuständig ist, zu überzeugen mit dem Ziel, dass diese die Medikamente ihren Patient*innen verschreiben und damit dann auch der Umsatz für das Pharmaunternehmen steigt. Von den Vorteilen überzeugen kann man Ärzte und Ärztinnen allerdings nur im Rahmen eines Fachgesprächs über das Indikationsgebiet, die Wirkungswiese, die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen des Medikaments. Jeder Arzt und jede Ärztin hat Patient*innen, die die gegenwärtige Medikation nicht gut vertragen und man kann herausarbeiten, in welcher Hinsicht das eigene Medikament wirksamer, besser verträglich, feiner dosierbar oder leichter anwendbar ist. Ein wichtiger Aspekt ist auch immer die Herausarbeitung der Vorteile des Medikaments bei der Behandlung von Risikopatient*innen. Selbstverständlich muss man sich diese umfangreichen Informationen nicht alle selbst erarbeiten und zusammenstellen, sondern man erhält diese zusammen mit passendem Informationsmaterial vom Produktmanagement und der Marketingabteilung. Diese Informationsgespräche mit Ärzten und Ärztinnen fanden jahrzehntelang im Rahmen von Praxisbesuchen im Außendienst und in Gesprächen auf Messen und Kongressen statt, mittlerweile werden auch andere Wege genutzt, die Ärzteschaft zu erreichen.
Corona und die Digitalisierung verändern das Berufsbild und machen es vielfältiger
Seit einigen Jahren erfährt das klassische Aufgabenfeld des*der Pharmareferent*in verstärkt eine Wandlung. Begonnen hat diese Entwicklung mit zunehmender Digitalisierung und unserem veränderten Kommunikations- und Lernverhalten durch Internet, Smartphone und Social Media. Weiter katalysiert wurde dieser Prozess durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie, durch die persönliche Besuche der Pharmareferent*innen in den Praxen nicht mehr möglich waren. Die Veränderungen des Berufsbildes gehen mittlerweile so weit, dass sogar der Jobtitel „Pharmareferent*in“ bei einigen Unternehmen schon durch Namen wie „Digital-Relationship-Manager*in“ oder auch „Multi-Channel-Manager*in“ ersetzt oder ergänzt wurden. In diesem erneuerten Berufsbild des Pharmaberaters gilt es, eine Strategie zur orchestrierten Betreuung der Kunden über sowohl digitale als auch persönliche Kanäle (Channel) zu entwickeln. Das Aufgabenfeld hat sich also dahingehend verändert, dass nicht mehr die persönlichen Besuche im Außendienst, die immerhin ca. 80% des Arbeitsalltags des Pharmareferenten ausgemacht haben, als das alleinige Mittel zur Ansprache angesehen werden. Die Ansprache über persönliche Besuche entspricht nun noch einem der „Channel“ oder Kanäle, die die Mitarbeiter*innen zur Verfügung haben, um die Ärzte zu erreichen. Die Abbildung zeigt das Set an Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und Informationsübermittlung an die Ärzteschaft. Nun gilt es diese verschiedenen Kanäle fein abzustimmen und eine Strategie für die Kundenansprache zu entwickeln. Ein anstehender Kongress kann im Newsletter angeteasert, in einem Brief expliziert werden, es folgt die Einladung vom Channel-Manager am Telefon und das persönliche Gespräch auf dem Kongress. Zum Nachfassen kommt der*die Channel-Manager*in persönlich zum Termin in die Praxis, das ist ein entscheidender Schritt in der „Customer-Journey“ und bedarf dem teuersten und wichtigsten Kanal, dem persönlichen Besuch. Der Schlüssel ist, die bevorzugten Kanäle des einzelnen Arztes zu finden. Ob HCP-Portal (HCP = Healthcare Professional) oder das alt bewerte Fax, heute haben die Channel-Manager ein umfangreiches Toolkit an der Hand.
Pharmareferent
Das Berufsbild individualisiert sich weiter
Der letzte Abschnitt darf allerdings nicht so verstanden werden, dass es den klassischen Pharmareferenten im Außendienst gar nicht mehr gibt und dass jeder Pharmaberater nun ein Multi-Channel-Manager ist, der alle Kanäle gleichzeitig bespielt. Vielmehr ist es so, dass sich die Strategie und Struktur des Pharmavertriebes gerade mitten im Wandel befindet und sich viele verschiedene Ausprägungen des Pharmaberaters zeigen. Die meisten Unternehmen befinden sich gerade in dem Prozess, die jeweils bestmögliche Strategie für sich zu entwickeln. So setzen momentan die meisten Pharmaunternehmen auf ein duales (hybrides) System: einerseits das Team an Pharmareferent*innen im klassischen Außendienst ergänzt um ein Team aus Digital Relationship Manager*innen, die den Außendienst mit ihren digitalen Methoden der Ärzteansprache und -bindung ergänzen. Auch im digitalen Bereich gibt es wieder unterschiedliche Organisationsformen. Manche Unternehmen etablieren Multi-Channel-Manager*innen, die das gesamte digitale Portfolio bespielen können und je nach Potential des anzusprechenden Arztes entscheiden, welchen Kanal und welches Tool sie wählen. Andere Unternehmen hingegen, organisieren die Betreuung der verschiedenen digitalen Kanäle modular und für jeden Kanal gibt es ein Team, das nur diesen „bespielt“ und darüber die für diesen Kanal affinen Ärzte und Ärztinnen betreut. Im Bereich des Pharmavertriebes gilt also momentan Heraklits „Panta rhei“ (alles fließt). Dies wird auch noch längere Zeit so sein, da sich immer weiter neue Möglichkeiten im digitalen Raum auftun. Das ist gerade für Menschen, die gerne mitgestalten, eine besonders spannende Phase, da sich hier viele Möglichkeiten bieten, das Berufsbild sogar ein Stückweit für die Zukunft mit ausgestalten zu können.
Die Angst sich anzubiedern zu müssen und die Erwartungen der Ärzte
Viele Absolvent*innen lehnen die Position des Pharmareferenten für sich ab, da sie Angst davor haben, sich anbiedern und „Klinkenputzen“ zu müssen. Diese Angst ist aber unbegründet. Natürlich gibt es Ärzte und Ärztinnen, die keine Pharmareferent*innen empfangen möchten. Aber nachdem man dies erfahren hat, besucht man diese Ärzte und Ärztinnen im Rahmen seiner Außendiensttätigkeiten einfach nicht mehr. Vielmehr überlegt man sich, ob diese Ärzte und Ärztinnen vielleicht eher über einen der digitalen Kanäle oder über Kongresse und Fortbildungen zu erreichen sind. Im Außendienst fokussiert man sich auf die Vielzahl von Ärzten und Ärztinnen, die Gespräche mit den Pharmareferent*innen als wichtige Informationsquelle sehen, um sich über neu zur Verfügung stehende Medikamente oder über Änderungen in der Fachinformation und den Leitlinien informieren zu lassen. Viele Ärzte und Ärztinnen nutzen die Gespräche auch gerne, um Fragen zu Dosierung für Risikopatient*innen und Patient*innen mit Vorerkrankungen besprechen zu können. Einige Praxen haben sogar feste Sprechzeiten für Pharmareferent*innen oder das Assistenzteam vergibt auf Anfrage individuelle Termine für das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin.
Gehalt
Das Gehalt
Für Berufseinsteiger*innen liegt das Jahresgehalt inklusive Boni im Bereich von 50.000-60.000€ plus Dienstwagen. Nach zwei-fünf Jahren bewegt man sich in der Spanne von 60.000-85.0000€. Sehr erfahrene und erfolgreiche Pharmareferenten können in der weiteren Gehaltsentwicklung auch den Bereich von 85.000-100.000 € erreichen.
Take-Home-Message
  1. Pharmareferent*innen sind Kommunikator*innen für wissenschaftlich-pharmazeutische Fachinformationen, die von vielen Ärzten und Ärztinnen als Gesprächspartner*innen geschätzt werden, um sich zügig und gezielt über relevanten Neuerungen informieren zu lassen.
  2. Aufgrund der Möglichkeiten, die sich durch digitalisierte Informationsformen ergeben, sind die Strategien und Strukturen im Pharmavertrieb gerade so stark im Umbruch, dass sich ganz neue Aufgabenfelder und Positionen im Großkontext von Marketing, Vertrieb und Informationsvermittlung zu wissenschaftlich-pharmazeutischen Themen für Pharmaberater*innen ergeben, die auch für Menschen interessant sein könnten, die sich den klassischen Außendienst nicht zutrauen.